Versorgungslücken schließen - medizinische Behandlung nach Gewalt sicherstellen

Beispiel 1

Eine Frau mit Lernschwierigkeiten wird in der Wohneinrichtung der Behindertenhilfe von ihrem Mitbewohner vergewaltigt. Sie möchte gemeinsam mit ihrer Assistenz in die nächstgelegene Klinik fahren, um sich medizinisch versorgen und die Spuren sichern zu lassen. Die Klinik ist 50 km entfernt. Ein Auto ist nicht verfügbar, der Wohnort schlecht angebunden, sie reisen 2 Stunden mit dem ÖPNV an. Mitten in der Untersuchung möchte die Frau abbrechen, sie ist völlig erschöpft.

Beispiel 2

Eine vergewaltigte Frau sucht eine Frauenklinik auf. Aufgrund laufender Geburten ist die diensthabende Ärztin erst nach einer Wartezeit von 2,5 Stunden verfügbar. Die Frau wird kurz auf akute Verletzungen untersucht, für weitergehende gynäkologische Untersuchungen jedoch an ihre niedergelassene Gynäkologin überwiesen. Diesen Aufwand kann sie aufgrund ihrer psychischen Situation nicht meistern, die gynäkologischen Untersuchungen unterbleiben. Einige Wochen später wird sie aufgrund körperlicher Beschwerden positiv auf Chlamydien getestet und erhält aufgrund der fortgeschrittenen Infektion 14 Tage Antibiotika.

Beispiel 3

Eine Frau, die an einem Freitagabend mit Verdacht auf K.O.-Tropfen vergewaltigt wurde, möchte sich medizinisch behandeln und Gewaltspuren sichern lassen. Ein Versorgungsangebot, das sie online gefunden hat, ist allerdings am Wochenende nicht erreichbar. Sie versucht es bei einer Klinik, wird da allerdings auf genau dieses Angebot verwiesen und in der Folge am Wochenende nicht behandelt. Nach dem Wochenende konnten weder K.O.-Tropfen nachgewiesen noch alle dagewesenen Spuren mehr gesichert werden.

Beispiel 4

Eine Frau wird in der Geflüchtetenunterkunft, in der sie lebt, vergewaltigt. Da sie keinen sicheren Aufenthaltstitel hat und kaum Zugang zum medizinischen System, lässt sie die Verletzungen nicht medizinisch behandeln. Auch dass es die Möglichkeit einer vertraulichen Spurensicherung gibt, war ihr nicht bekannt.

Beispiel 5

Eine Klientin hat sich einige Zeit nach einer medizinischen Versorgung und Befunddokumentation (im Rahmen der vertraulichen Spurensicherung), mit den Laborrechnungen an eine Fachberatungsstelle gewandt. Die Rechnungen beliefen sich über mehrere hundert Euro. Da die Klientin über wenig finanzielle Mittel verfügt, hat sie diese Post nach einer Phase der Stabilisierung in der Beratung, wieder aus der Bahn geworfen. Diese Untersuchungen konnten nicht als Kassenleistungen von der Klinik abgerechnet werden.